fotocredit Bernhard Schramm
“Bruchstücke einer zukünftigen Gegenwart Nr. 1”
Die vorliegende Arbeit ist das erste Resultat einer Kooperation zwischen dem renommierten Wiener Kunstsiebdrucker Andreas Stalzer und dem belgischen Künstler Werner Van Hoeydonck, Architekt und Ornamental Designer.
Der vorgestellte Entwurf, der als Serigrafie mit fünf Sieben entwickelt würde, zieht den Blick sofort in sein Zentrum zu einer stilisierten Blüte. Sie bildet das Kernstück einer Art archäologischen Tellers, aus dessen Mitte gleichmäßige Linien entspringen.
Diese bilden zunächst Blütenblätter um das Zentrum herum und verwandeln sich im folgenden Radius zu Herzen, an deren seitlichen Scheitelpunkten eine Gabelung eine zweite Linie zu einer Schnecke formiert, die zu je einem Ornament am äußeren Rand des Kreises führt. Wie an Stängeln fixiert präsentieren sich diese zwölf abstrahierten Blumen, geschützt und eingehüllt von der Führungslinie.
Man ist versucht, sich dem Rätsel, welche Blume zu welchem Kulturkreis und welcher Epoche gehören mag, zu stellen. Einige wirken sehr vertraut und der Betrachtende ist sich sicher, sie schon an einem Bauwerk oder an einem Gefäß als Schmuck und Zierde gesehen zu haben. Andere erscheinen exotisch und spontan entstehen Vorstellungen von Seidentüchern oder Tempeln aus entlegenen Gegenden dieser Welt.
Die zwölf Objekte, die ohne Präferenz für eine Kultur oder Epoche nach rein ästhetischen Kriterien ausgewählt wurden, versinnbildlichen die Schönheit der Verschiedenartigkeit.
Der Künstler sieht laut seinen eigenen Worten das Zentrum des Entwurfs wie einen gemeinsamen Ausgangspunkt aller ornamentalen Kunst. Er ist „offensichtlich der Funke, der Keim, der Ursprung woraus der stilisierende Künstler, angegriffen von der Schönheit und Liebe zur Natur, diese der geometrischen Kraft der Natur nachempfundene Struktur als eine abstrahierte sich entfaltende Energie oder Liebeskraft darstellt, die allen Kulturen gemeinsam ist.“ Dieses integrierende Zentrum stellt die verbindende Einheit ebenso dar wie den Wunsch nach einem harmonischen Zusammensein verschiedener Kulturen.
Doch die Ruhe des vollkommenen Gleichklangs und der Perfektion wird gestört. Eine gelbe Form, die über der Scheibe, dem Teller, dem heilen Universum der perfekten Ornamentik positioniert ist, wirkt als Bruch. Oder ist es ein stilisierter fliehender Mensch, der provokant über das Bild springt und sich von der vermeintlichen Eintracht befreien will?
Die Verletzung ist vielschichtig und birgt den potentiellen Verlust des Ganzen in sich. Die Figur bringt andererseits Dynamik in die kühle Präzision der perfekten Computerzeichnung und lenkt die Aufmerksamkeit auf einen Teil des Tellers, der auf den ersten Blick wirkt wie ein archäologisches Artefakt. Es ist laut dem Künstler, „der zarte Versuch, mittels persönlichen, sensuellen Handstrichen, im Dialog von Stilisierung und Natur-nachempfundener,- spontaner Form“, alles zu verbinden.
Das Bewahren von ursprünglichen, von Technik unbeeinflussten Schaffen, eine Rekonstruktion vergangener Kunstfertigkeit, vielleicht sogar die Heilung verletzter Natürlichkeit und somit die Rettung vor der Zerstörung schwingt in diesem Bereich des Werks mit.
Liebevoll ausgestaltet, wie ziseliert, präsentieren sich hier die Blüten und Linien – dicht gefüllt mit Symbolen, Figuren, Strukturen – ohne Freiräume. Eine menschliche Hand hat in diesem Segment dem kühlen Computerdesign die Schärfe und Klarheit genommen und den Mustern Lebendigkeit verliehen.
Wie bei einer Medaille hat auch der “Teller” zwei Seiten, die kühle ästhetische Schönheit des Gleichmaßes apostrophiert die Kraft des Natürlichen, dem ebenfalls harmonische Formen zugrunde liegen. Der Bruch in der Mitte durchkreuzt die Harmonie, hält aber die Fragmente rund um den Mittelpunkt zusammen.
Gerda Simlinger
Ornamental Art & Design 